Text und Foto von: Cord Krüger (Kreiszeitung)
„Ich will raus aus dieser Liga!“ Rehden-Trainer Kristian Arambasic im Klartext-Interview
Unumwunden formuliertes Ziel: Aufstieg! Dafür hat Trainer Kristian Arambasic den Kader des BSV Rehden qualitativ verstärkt und freut sich über den „guten Charakter“.
Kristian Arambasic will mit Rehden in die Regionalliga. Wie der „Fußball-Romantiker“ das mit dem Fußball-Oberligisten schaffen will, warum sein Vater mit ihm schimpfte und warum er seiner Mannschaft sagte, dass sie unter dem Verdacht der Wettmanipulation steht, verrät er im großen Interview vor dem Saisonstart.
Rehden – Entspannt geht es zu an diesem Nachmittag im Trainingslager des BSV Rehden – jedenfalls in den Reihen der Oberliga-Fußballer, die gerade Karten dreschen. Trainer Kristian Arambasic hingegen räumt zeitgleich die Reste des Mittagsbüfetts weg, koordiniert noch die Zimmerbelegung und per Handy die Maulwurfsvergrämung auf dem B-Platz. Der 47-Jährige halst sich mehr auf als ein „normaler“ Chefcoach. „Aber wir sind ein Dorfverein und wollen uns so auch präsentieren“, verlangt der Bremer von seinen Spielern: „Ohrringe auf dem Trainingsplatz will ich nicht mehr sehen.“ Gerne wiedersehen würde er hingegen seinen Sohn Alessio. Und sehnlichst gern würde der Sozialpädagoge zurück in die Regionalliga.
Herr Arambasic, zwei Ihrer Vorgänger sind seit kurzem Trainer renommierter Traditionsvereine: Heiner Backhaus bei Zweitligist Eintracht Braunschweig und Benedetto Muzzicato bei Drittligist Alemannia Aachen. Warum hocken Sie immer noch in Rehden?
Das zeigt, dass ich die Qualität nicht habe (lächelt)! Nein, es freut mich für Muzzi und Heiner, mit dem ich immer mal wieder telefoniere. Sie haben den BSV Rehden als Sprungbrett genutzt – wie viele Spieler. Aber ich habe Friedrich (Clubchef Schilling, d. Red.) bei meinem Start vor dreieinhalb Jahren gesagt: „Du musst dir keine Sorgen machen, dass ich hier sofort wieder abhaue.“ Das hat er bei mir vor drei Jahren nach dem Niedersachsenpokalsieg und Klassenerhalt gesehen, als ich ein anderes Angebot hatte. Ich stehe für Kontinuität – schon mein ganzes Leben: Ich arbeite seit 15 Jahren an der Oberschule in Gröpelingen, bin seit dem 16. Lebensjahr mit meiner Mirian zusammen, die ich später geheiratet habe. Sie ist meine einzige Liebe. Und ich hatte ja auch wenige Stationen als Spieler und Trainer. Ich verändere mich nur dann, wenn ich das Gefühl habe, ich bin nicht mehr der Richtige oder ich brauche eine neue Herausforderung. Es gab zwar Optionen aus der dritten, vierten und fünften Liga, aber ich bin hier mit dem Verein 2023 abgestiegen, und mein Ziel war immer, den Weg wieder zurückzufinden.
Saisonziel Aufstieg – eine forsche Ansage bei dieser starken Konkurrenz.
Mir ist klar, dass das eine Riesen-Aufgabe ist und wir im Moment meilenweit davon entfernt sind. Wir haben wieder eine komplett neue Mannschaft, aber das ist das, was mich antreibt: Ich will alles tun, es zu schaffen. Im letzten Jahr hat es leider nicht geklappt.
Woran lag’s?
Es war ein wahnsinniger Start – mit Punktverlusten und Niederlagen in der Nachspielzeit oder zwei Eigentoren in Schöningen, was ich so noch nie erlebt habe. Da hatte ich kein gutes Gefühl und meine Mannschaft das einzige Mal angelogen und gesagt, dass wir unter Verdacht der Wettmanipulation stehen. Danach haben wir 18 Spiele nicht verloren. Dann waren wir oben dran, haben am Ende aber wieder merkwürdige Spiele verloren. Da sage ich: Du brauchst ein gesamtes Team, das aufsteigen will. Aber meine Führungsspieler haben nicht die Einstellung gebracht, die wir brauchten. Deshalb mussten wir personell einen Cut machen.
Ist das gelungen?
Am Ende werden wir erst im Ligabetrieb erkennen, wie gut wir sind. Du brauchst Spieler, die zusammenhalten, füreinander arbeiten, den Verein repräsentieren und ihm etwas zurückgeben möchten. Denn Friedrich Schilling gibt uns viel, da sind wir in der Pflicht, alles rauszuballern. Elf Mann haben wir behalten, das ist noch ein gutes Gerüst. Und mit den Neuzugängen haben wir einen gesunden Charakter. Jetzt sagen die Jungs nach zwei Stunden Training: „Wir wollen aber noch, lass mal ein paar Bälle draußen.“ Deswegen fahre ich gern hierher und freue mich auf sie. Es wird spannend, wenn wir in der Liga auf die Fresse bekommen. Diese Momente wird es geben, aber ich habe ein gutes Gefühl. Wir möchten hart arbeiten, damit wir auch möglichst oft einen Grund haben, etwas zu feiern. Denn auch das ist mir wichtig. Ich bin Fußball-Romantiker, und dazu gehört selbst in der Oberliga, dass wir nach dem Spiel mal zusammensitzen und ein Bierchen trinken. Mannschaften wie Wetschen leben das vor: Die haben die Harmonie, das finde ich sympathisch. In der Oberliga kann man auch mit weniger Qualität, aber mit Mentalität und Teamgeist erfolgreich sein.
Bei aller Romantik in dieser Klasse haben Sie nach dem verlorenen Aufstiegsrennen im Mai angekündigt, dass nun ihre letzte Oberliga-Saison folgt. Im Klartext: Aufstieg oder Abschied?
So setze ich mich selbst unter Druck, auch wenn mein Papa geschimpft hat: „Bist du bescheuert, sowas öffentlich zu sagen?“ Aber ich meine: Entweder steigen wir auf oder ich bin weg – und mit dem bisherigen Kader hätte ich es nicht geschafft. Einige Spieler waren schockiert, dass ich mit ihnen nicht verlängert habe. Aber wenn ich jetzt im Winter sehe, dass wir alle an einem Strang ziehen, dann können wir gern zusammenbleiben. Trotzdem will ich raus aus dieser Liga!
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn der BSV wegen des fehlenden Unterbaus keine Oberliga-Lizenz bekommen hätte?
Daran möchte ich gar nicht denken! Ich kenne das aber: Als ich Trainer des Brinkumer SV war, hätten wir das 2015 fast gehabt. Dann haben meine Frau und ich die Statuten gewälzt und die wichtigen Fehler entdeckt. So haben wir es überlebt und eine zweite Herrenmannschaft aus dem Boden gestampft. Da stand ich mit meinem Trainerkollegen Jürgen Damsch auf dem Platz – Jürgen im Sturm und ich im Mittelfeld. Und jetzt gibt es hier auch bald eine Zweite.
Auch mit Ihnen als Spieler in der 3. Kreisklasse? Clubchef Schilling hofft jedenfalls auch auf Aushilfen aus dem Oberliga-Kader.
Wir werden immer aushelfen, wenn wir gebraucht werden. Da sollte man sich nicht zu schade sein. Wir werden aber regelmäßig Verletzte haben, die wiederkommen. Wenn wir die zu dritt oder viert herunterschicken, haben die auch Spaß miteinander. Gegenwärtig scheint es eine Zweite zu geben, die eigenständig arbeiten kann. Sollte das nicht so sein, muss man vielleicht noch einmal nachverpflichten und sehen, ob man ein paar junge Spieler dazubekommt. Aktuell konzentrieren wir uns aber auf die wichtigen Führungsspieler.
Der für Sie wohl wichtigste Ex-Spieler ist gerade bei Ihnen ausgezogen: Ihr Sohn Alessio wechselte zu West-Regionalligist Wuppertaler SV. Wie sehr fehlt der Älteste zu Hause?
Das Gute war der schleichende Abnabelungsprozess, weil Alessio zwischen uns in Bremen, BW Lohne und seiner Freundin in Münster gependelt ist. Doch die Wahrheit ist: Wir leiden richtig! Unsere drei Kinder bedeuten uns alles. So langsam geht es, aber wenn ich jetzt darüber rede, fehlt er mir. Wir haben eine extreme Bindung und sind wie Freunde – selbst, wenn er als Trainersohn unter mir in Oberneuland und Rehden leiden musste. Auch unsere siebenjährige Emilia vermisst ihn, genauso wie unser Mittlerer, Leandro, mit seinen 17 Jahren – obwohl er zuerst Alessios Zimmer beschlagnahmt hat. Jetzt zocken sie zusammen übers Internet, aber die Nähe, das gemeinsame Abendessen, Quatschen, Lachen, das fehlt. Meine Frau macht das clever, hält den Kontakt, bestellt ihm übers Internet, was er so braucht – und lässt das direkt nach Wuppertal schicken, damit ich es nicht merke. Ich sehe das hinterher aber bei mir auf dem Konto, wenn sie zum Beispiel wieder teures Tape gekauft hat. Dabei bin ich so ein Geizhals! Trotzdem freuen wir uns natürlich, wenn wir ihn mit seinen 23 Jahren noch unterstützen können.
Die ganze Familie liebt und lebt den Fußball, oder?
Ja! Meine Mirian wirst du bei Spielen nie bei irgendwelchen Leuten sehen, sondern sie steht da allein, weil sie wirklich Fußball guckt. Sie ist mein geheimer Scout. Mit ihr spreche ich, wie sie den- oder denjenigen gesehen hat. Und meistens hat sie recht. Sie hat schon einige entdeckt, die ich erst nicht so eingeschätzt habe. Dann sagt sie: Schau ihn dir nochmal an, der kann dies oder das. Und mein Papa ist überall dabei, um zu gucken, was die Familie so treibt, er jubelt und leidet mit. Leandro spielt jetzt wieder Fußball. Zwischendurch hatte er den Basketball für sich entdeckt, es innerhalb eines Dreivierteljahres in die Landesauswahl geschafft und ist in die U 17-Bundesliga zu den EWE Baskets gewechselt. Das war schon cool, als in der EWE-Arena sein Name aufgerufen wurde und ich mal im Warmen unterm Dach Spiele verfolgen durfte! Aber irgendwann sagte er mir: „Im Basketball habe ich alles erreicht, ich gehe wieder zum Fußball.“ Jetzt wechselt er zum FC Oberneuland in die A-Jugend-Verbandsliga.
Sind Sie manchmal auf der langen Heimfahrt aus Rehden traurig, was Sie zu Hause mit der Familie gerade alles verpassen?
Ja, das kenne ich auch, aber ich nutze die Zeit intensiver. Dafür habe ich keine echten Freunde, mit denen ich abends losziehe. Stattdessen gehen wir abends als Familie zusammen essen oder liegen alle gemeinsam auf dem Sofa und gucken Netflix.
Das klingt, als ob Sie damit ziemlich glücklich sind.
Im Moment bin ich sehr glücklich. Es macht mir wahnsinnig viel Spaß, weil ich sehe, dass die Mannschaft lebt. Und solange Friedrich mich erträgt mit dem, was ich hier tue, machen wir weiter.